Gewalt, Krisen und Krieg – Was brauchen Kinder und Jugendliche zur Verarbeitung?
28. Dezember 2023 | Jugendkulturen und Soziale Medien

Junge, der auf einer Treppe sitzt und auf sein Smartphone schaut; Bild: Jatuporn Tansirimas/ iStock

In Zeiten globaler Krisen und der Kriege in der Ukraine und in Israel und Palästina sind Gewaltdarstellungen in Medien allgegenwärtig. Gerade in sozialen Medien sind sie auch für Kinder und Jugendliche leicht zugänglich und können zu Ängsten, Verunsicherung und Desinformation führen. Umso wichtiger sind Räume, in denen Schüler*innen über ihre Erfahrungen mit Gewaltdarstellungen in Medien sprechen können.

Kinder sind mit einer Vielzahl von Medieninhalten konfrontiert, die Gewalt darstellen, sei es in Fernsehsendungen, Filmen, digitalen Spielen oder im Internet. An dieser Stelle soll es allerdings nicht um fiktionale Gewalt gehen, denen Heranwachsende in vielen Facetten und Ausprägungen begegnen. Vielmehr geht es um Gewalt in der Berichterstattung zu realen Geschehnissen. In den letzten Jahren gab es eine Reihe von schrecklichen Ereignissen und Krisen, die die Nachrichtenlage dominiert haben. Anders als früher ist es in einer von Medien durchdrungenen Umwelt nahezu unmöglich, Kinder und Jugendliche von diesen Meldungen und Bildern fernzuhalten.

Krisen medial vermittelt – was begegnet Kindern und Jugendlichen?

Die Corona-Pandemie, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, das Erdbeben in der Türkei, der Terror und Krieg in Israel und Palästina – all diese Ereignisse sind für Kinder und Jugendliche erschütternd und können Ängste und Verunsicherung auslösen. Kinder stellen schnell einen Bezug zu ihrem eigenen Leben her und versetzen sich in die Lage der betroffenen Menschen. Sie fragen sich, ob das auch ihnen geschehen kann. Hinzu kommt, dass drastische Bilder von Kriegs- oder Katastrophenopfern sie schlicht überfordern. Abwiegeln ist darauf keine angemessene Reaktion. „Das verstehst du noch nicht“ bringt sie nicht weiter, sondern erhöht Verunsicherung und Angst. Wichtig ist es, mit Kindern über ihre Eindrücke und Ängste zu reden, sie zu trösten und ihnen Sicherheit und Zuwendung zu geben.

Kinder bis zum Ende des Kindergartenalters bekommen meist noch nicht so viel von den aktuellen Nachrichten mit. Manche Ereignisse sind jedoch so präsent, dass Kinder Fragen stellen und dann müssen Eltern angemessen reagieren. Die meisten Kinder dieses Alters werden sich schnell wieder ihrem Alltag widmen. Bei Grundschulkindern ist es allerdings schwierig, sie von belastenden Nachrichten fernzuhalten. Sie bekommen viel durch Schule, Familie oder aus den Medien mit. Mit einfachen Worten sollte kurz erklärt werden, was passiert ist, aber ohne Details und dramatische Zuspitzung. Wichtig ist es, Fragen und Unsicherheiten ernst zu nehmen und altersgerecht zu beantworten.

Informationsformate im Kinderprogramm zum Ukraine-Krieg

Nach wie vor bestimmt der Ukraine-Krieg die Nachrichtenlage. Seit über einem Jahr liefern Kinderangebote der öffentlich-rechtlichen Sender Kindern und Jugendlichen Unterstützung bei der Verarbeitung und Einordnung der Ereignisse.

Je älter die Heranwachsenden werden, umso wichtiger werden Social Media als Informationsquelle. So verbreiten sich schlimme Ereignisse rasend schnell über Kanäle wie WhatsApp, Twitter oder Instagram. Das kann zu Angst und Verunsicherung führen, weil vieles ungefiltert auf die Mädchen und Jungen einstürmt. Ein anderer Effekt ist, dass die Bedrohung näher erscheint als sie eigentlich ist: Durch die ständigen Meldungen hat man das Gefühl, mittendrin zu sein, was die eigene Verunsicherung steigern kann.

Wichtig: Perspektive von Kindern und Jugendlichen aufzeigen

Beispiel 1: Ukraine – Wie wir den Krieg erleben (Doku-Reihe in der ARD-Mediathek, jeweils 15 min)

Gedanken, Gefühle und Strapazen ukrainischer Flüchtlingskinder werden in der Dokumentation authentisch festgehalten. Dass die Betroffenen in ihrer schrecklichen Situation Hilfe erhalten, kann Kinder motivieren, selbst aktiv zu werden und Unterstützung anzubieten.

Online:
www.ardmediathek.de/video/ukraine-mein-land-im-krieg/ukraine-wie-wir-den-krieg-erleben

Beispiel 2: Berlin und Wir! Ukraine Special (Doku-Reihe in der ZDF-Mediathek, 12 min)

Die Doku sensibilisiert die Zuschauer*innen im Umgang mit Geflüchteten und zeigt, dass ein offenes und neugieriges Miteinander sowie gemeinsame Erlebnisse eine Bereicherung für alle sein können. Kinder erhalten Einblick in die ukrainische Kultur und können so ihren Horizont erweitern. Die Fluchtgeschichte der Jugendlichen wird sensibel aufbereitet.

Online:
www.zdf.de/kinder/berlin-und-wir

Bilder vom Krieg auf TikTok

TikTok ist ein gutes Beispiel, wenn es um den Umgang mit Kriegsbildern und Informationen geht. Social Media sind für viele Jugendliche ein zentraler Raum, um sich zu informieren und auszutauschen, aber auch um selbst Informationen zu teilen bzw. Content zu erstellen und zu verbreiten. Umso wichtiger ist es, Bilder und Inszenierungsformen, die auf Social Media kursieren, genauer anzuschauen und in medienpädagogischen Kontexten zu thematisieren. Beispielhaft haben wir das in FLIMMO zum Thema Kriegsbilder auf TikTok gemacht.

Online:
https://www.flimmo.de/redtext/101467/Kriegsbilder-auf-Social-Media 

Was brauchen Kinder, um Berichte von Krieg, Katastrophen und Krisen zu verarbeiten?

Die Verarbeitung von Kriegsbildern und Berichterstattung über Katastrophen kann für Kinder und Jugendliche äußerst belastend sein. Es ist wichtig, ihnen geeignete Unterstützung und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um mit den Auswirkungen umzugehen. Hier sind einige Aspekte, die für die Verarbeitung von Kriegsbildern und Katastrophenberichterstattung wichtig sind:

  • Offen sein für heikle und schwierige Themen: Es ist entscheidend, eine offene und ehrliche Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen zu führen. Sie brauchen Gelegenheiten, ihre Gedanken und Gefühle ausdrücken. Dabei ist es wichtig, ihnen altersgerechte Informationen zu geben und auf ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen.
  • Die Folge von Darstellungen von Gewalt und Krisen können Angst, Verunsicherung und Trauer sein. Kinder und Jugendliche benötigen emotionale Unterstützung von Erwachsenen, sei es von Eltern, Lehrern oder anderen Vertrauenspersonen. Wer Fragen abblockt oder Ängste herunterspielt, lässt Kinder mit ihren Sorgen allein. Wichtig ist es, die Kinder zu trösten und ihnen Sicherheit und Zuwendung zu geben.
  • Wichtig sind altersgerechte Informationen, die ihrem Alter und ihrer Entwicklungsstufe angemessen sind. Zu vermeiden sind detaillierte oder verstörende Informationen, die sie überfordern können.
  • Aktive Verarbeitung anregen: Kleinen Kindern kann es helfen, Eindrücke im Spiel zu verarbeiten oder ein Bild dazu zu malen. Für Ältere sind Gespräche und konkrete Informationen wichtig. Die eigenen Gefühle in Texten oder Bildern auszudrücken, ist auch eine Möglichkeit.
  • Authentisch bleiben: Erwachsene müssen nicht alle Fragen beantworten können. Besser ist es, die eigene Unwissenheit oder auch Traurigkeit einzugestehen und das Thema nicht auszusparen.
  • Medienkompetenz ist in diesem Zusammenhang ein wesentlicher Faktor. Kinder und Jugendliche müssen lernen, Medieninhalte kritisch zu hinterfragen und zu analysieren. Die sichere Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität ist ebenso wichtig wie das Erkennen der Manipulation von Bildern und Nachrichten.
  • Gemeinschaftliche Unterstützung und Zusammenarbeit können eine wichtige Rolle spielen, um Kindern und Jugendlichen zu helfen, schwierige Ereignisse zu bewältigen. Dies kann durch Gruppendiskussionen, Schulprojekte oder die Teilnahme an gemeinnützigen Aktivitäten geschehen, die ein Gefühl der Solidarität und des Engagements vermitteln. Damit können Kinder und Jugendliche Ohnmachtsgefühle und Hilflosigkeit hinter sich lassen.

Anregungen für den Unterricht

Basierend auf einer Studie zum Thema „Wie sehen Kinder den Ukrainekrieg“ des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München wurde von Dr. Maya-Götz und ihrem Team ein zweiteiliges Unterrichtsmaterial erarbeitet.

Die Unterrichtseinheit Bildbriefe an Medienmacher*innen ist für Grundschulkinder gedacht. Die Materialien basieren auf handlungsorientierten Methoden, die es den Schüler*innen ermöglichen, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Der Einstieg in ein Klassengespräch erfolgt mit folgender Frage: „Im Moment ist Krieg in der Ukraine. Habt ihr davon etwas mitbekommen? Was habt ihr gehört, gelesen oder gesehen?“ Die Schüler*innen tauschen sich aus, welche Gedanken sie zum Ukraine-Krieg haben und welche Bilder ihnen in den Kopf kommen. Im zweiten Schritt werden diese Bilder durch eine Malaufgabe zu Papier gebracht. Danach wird gemeinsam analysiert und besprochen, was auf den Bildern zu sehen ist. Ein medialer Impuls in Form einer „logo!-Spezialsendung“ erweitert das Thema. Als nächsten Schritt dürfen die Kinder ihre Wünsche an die Programmmacher von logo & Co. in Form eines weiteren Bildes festhalten. Darauf sollen sie darstellen, was sie in einer Sendung zum Krieg in der Ukraine erfahren wollen. Als Abschluss diskutiert die Gruppe die Frage, was jede*r tun kann, wenn Sorgen und Ängste aufkommen. Dazu werden Tipps gesammelt und in Form einer Pinnwand, eines Plakats o. ä. dokumentiert.

Online:
izi.br.de/deutsch/publikation/UE_GS_ueber_Krieg.pdf

Die Unterrichtseinheit „Informationen sammeln und Fake-News entlarven“ richtet sich an Schüler*innen der Sekundarstufe I. Zunächst werden Rechercheaufträge in Kleingruppen verteilt. Die Jugendlichen sollen sich gemeinsam u. a. mit folgenden Themen befassen:

  • Warum protestiert in Russland keiner? Unabhängige Berichterstattung im Vergleich zu Deutschland.
  • Historische Entwicklung begreifen: UdSSR, Warschauer Pakt, Krim 2014
  • Fake oder Fakt, wie Wladimir Putin den Angriffskrieg rechtfertigt und welche Fake News sich im Netz verbreiten.
  • Der Angriff auf die Ukraine – Was bisher geschah und Berücksichtigung von Fake News.
  • Sanktionen und die Frage: Was die Welt tut bzw. tun kann.

Dazu werden Recherchemöglichkeiten bereitgestellt, die selbstständig genutzt werden. Die Ergebnisse der Recherchen werden im Klassenverbund vorgestellt, wenn möglich in multimedialer Form. Im abschließenden Klassengespräch werden Fragen besprochen wie z. B.: „Was habt ihr für euch entdeckt? Was sollten Schüler*innen, z. B. aus einer jüngeren Klasse, unbedingt wissen?“

Online:
izi.br.de/deutsch/publikation/UE_Sek_ueber_Krieg.pdf

Ziel des Unterrichtsmaterials ist es, die Schüler*innen für die Auswirkungen von Konflikten und Kriegen auf das Leben der Menschen zu sensibilisieren. Es soll sie ermutigen, Mitgefühl zu entwickeln und die Bedeutung von Frieden und Zusammenarbeit zu verstehen. Die Schüler*innen sollen angeregt werden, über das Gelernte nachzudenken und ihre eigenen Meinungen und Erfahrungen auszutauschen. Diskussionen und Reflexionsphasen werden genutzt, um das Verständnis zu vertiefen. Entscheidend ist, die Auseinandersetzung mit Quellen und Informationen in der Diskussion mit unterschiedlichen Perspektiven in Verbindung zu bringen. So lernen die Schüler*innen, Informationen kritisch zu hinterfragen und Hintergründe und Auswirkungen von Krisen und Konflikten nachzuvollziehen.

 

Weitere Tipps

FLIMMO – Elternratgeber zu TV, Streaming und YouTube (JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis)

„FLIMMO ist ein Elternratgeber für TV, Streaming, YouTube und Kino. FLIMMO möchte Eltern unterstützen, bei der Fülle an Angeboten den Überblick zu behalten und altersgerecht auszuwählen. Die Ampel zeigt auf einen Blick, ob ein Film, eine Serie oder ein YouTube-Kanal für Kinder geeignet ist oder nicht – und wenn ja, ab welchem Alter. Pädagogische Einschätzungen machen deutlich, was Kindern an einem Film oder einer Serie gefällt, was problematisch sein kann und worauf Eltern besonders achten sollten.“

Webseite:
www.flimmo.de

 

Informationsquellen für Kinder und Jugendliche:

Die blinde Kuh – Suchmaschine für Kinder
Online:
www.blinde-kuh.de/

Hanisauland – Politik für Dich
Online:
www.hanisauland.de/

logo! – Kindernachrichten
Online:
www.zdf.de/kinder/logo

MrWissen2go
Online:
www.youtube.com/@MrWissen2go/videos

 

Friedenstark – Wie thematisiert man Gewalt und Krieg an Schulen? Und wie geht ein friedliches Klassenzimmer? (Berghof Foundation)

„In fünf Podcast-Folgen gehen wir auf die wichtigsten Fragen rund um Bildung und Frieden ein und lassen renommierte Expert*innen zu Wort kommen. Wir teilen spannende Einblicke in Friedensbildungs-Projekte im Schulalltag, teilen unsere Erfahrungen und geben Tipps, damit Sie direkt etwas in den Unterricht mitnehmen können.“

Online:
www.spreaker.com/show/friedensstark

 

Infoblätter zum Umgang mit Bildern und Nachrichten zu Krieg (klicksafe.de)

„Medienerziehung in Kriegszeiten – eine Herausforderung für Eltern. Worauf sollten Eltern jetzt verstärkt achten? Wo können sich Kinder und Jugendliche sicher informieren und Unterstützung erhalten?“

Online: www.klicksafe.de/news/kriegsbilder-und-hetze-so-helfen-sie-kindern-und-jugendlichen-bei-der-verarbeitung

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