Themen - Übergangsgestaltung und Leaving Care

Eine der wesentlichen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe ist es, junge Menschen in ein eigenständiges Leben zu begleiten und sie dabei zu unterstützen, zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit heranzuwachsen (§ 1 SGB VIII). Da unbegleitete junge Geflüchtete in der Regel zwischen 15 und 17 Jahre alt sind, wenn sie in die Jugendhilfe kommen, spielen die Themen Verselbstständigung und der Übergang in ein selbstverantwortetes Leben unabhängig von ihrer Fluchtgeschichte von Beginn an eine besondere Rolle.

Fachkräfte sind gefordert, die vergleichsweise kurze Zeit bis zur Volljährigkeit bzw. zur Beendigung der Hilfen zu nutzen, um die jungen Menschen auf ein selbstständiges Leben vorzubereiten. Dazu gehört es etwa, Abläufe und Strukturen mit ihnen einzuüben und sie zu befähigen, eigenständig einen Haushalt führen, ihnen zur Verfügung stehendes Geld einteilen und verwalten, Aufgaben aus Schule und Ausbildung gewissenhaft nachgehen und die Belange des eigenen Lebens vollumfassend organisieren zu können.

Wenn junge Menschen mit Fluchtgeschichte die Jugendhilfe verlassen, bedeutet dies also, dass sie nicht nur mit den Herausforderungen des Erwachsenwerdens, sondern auch mit den besonderen Herausforderungen, die sich durch ihren Flüchtlingsstatus ergeben, konfrontiert sind. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht, welche Anforderungen an die jungen Menschen in der Phase des jungen Erwachsenenalters gestellt werden.

Warum ist eine Übergangsgestaltung wichtig?

Der Übergang von der stationären Betreuung zum eigenständigen Leben ist für die jungen Erwachsenen eine entscheidende Phase. Die Übergangsgestaltung spielt dabei eine wichtige Rolle: Sie ist maßgebend bei der Schaffung einer stabilen Grundlage für die Zukunft. Ein gelingender Übergangsprozess trägt dazu bei, bereits gegangene Schritte alleine weitergehen und die Anforderungen der Alltagsbewältigung meistern zu können, emotionale Resilienz zu festigen und jungen Menschen die Werkzeuge an die Hand zu geben, um erfolgreich und selbstbestimmt ihren Weg zu gehen.

Wer sind denn Careleaver:innen?

Der Begriff „Careleaver:innen“ bezieht sich auf junge Menschen, die einen Teil ihres Lebens in der stationären Kinder- und Jugendhilfe, z.B. in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche oder Pflegefamilien, verbracht haben und sich nun im Übergang in ein eigenständiges Leben befinden. Der Begriff beschreibt aber auch jene jungen Menschen, die schon länger die Jugendhilfe verlassen haben.

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete werden in der Regel immer im Rahmen der Jugendhilfe in Obhut genommen und im Rahmen von Anschlussmaßnahmen (stationäre Unterbringung, teilstationäre Unterbringung oder ambulante Hilfen) betreut. Vor dem Eintritt in die Volljährigkeit stellt sich die Frage, ob der Übergang aus der Jugendhilfe eingeleitet werden kann oder der junge Mensch im Rahmen der Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) weiter betreut wird. Sobald diese Betreuungsform beendet wird, verlässt der junge Menschdie Hilfe und ist somit ein Careleaver oder eine Careleaverin.

Warum ist die Unterstützung von (geflüchteten) Careleaver:innen wichtig?

Der Übergang von der (teil-)stationären Jugendhilfe in ein eigenständiges Leben ohne die Unterstützung der Jugendhilfe ist für junge Menschen mit und ohne Fluchtgeschichte ein großer biografischer Einschnitt. Bei jungen Menschen mit Fluchtgeschichte kommen zusätzlich noch einige Besonderheiten hinzu: eventuelle Sprachbarrieren, das Zurechtfinden in neuen Leistungssystemen, Kenntnisse über alltägliche Lebenspraktiken (Mülltrennen, Nachtruhe, das Verstehen von Lohnabrechnungen etc.) und auch der Umgang mit rassistischen, diskriminierenden und stigmatisierenden Verhaltensweisen Anderer. Zugleich bedeutet für junge Menschen mit Fluchterfahrungen der Übergang aus der Jugendhilfe in eigenen Wohnraum häufig auch ein Gefühl von Freiheit und Selbstverwirklichung und einen weiteren Schritt der Integration.

Die Begleitung und die angemessene Unterstützung der jungen Menschen auf diesem Lebensabschnitt ist jedoch für die Kinder- und Jugendhilfe und die oftmals nachfolgenden Leistungssysteme noch immer eine Herausforderung. Vor allem die Abstimmung zwischen und der nahtlose Übergang in andere Leistungssysteme erfolgt häufig nicht lückenlos. Bei jungen Menschen entsteht nicht selten der Eindruck, dass Zuständigkeiten nicht klar geregelt oder mitunter nicht erwünscht sind und sie von einem zum nächsten Leistungserbringer geschickt werden („Verschiebebahnhof“).

Die gesetzliche Grundlage

Mit dem SGB VIII Reformprozess sind weitgehende Neuregelungen ins Gesetz aufgenommen worden, die unter anderem auf eine Stärkung von Kindern und Jugendlichen abzielen, die in einer Pflegefamilie oder Einrichtung der Jugendhilfe aufwachsen. Für die Zielgruppe der jungen Volljährigen und Careleaver:innen, die sich im Übergang aus der Kinder- und Jugendhilfe in ein selbstständiges Leben und/oder in andere Hilfesysteme befinden, bringen die gesetzlichen Neuregelungen erhebliche Verbesserungen mit sich.

Damit diese in der Praxis wirksam werden können, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen aller beteiligter Akteur:innen. Insbesondere gilt es, Angebots- und Kooperationsstrukturen aufzubauen oder weiterzuentwickeln, die einen gelingenden Übergang der jungen Menschen gewährleisten können.

Weiterführende Informationen:

Weiterführende Links

Careleaver e.V.

Der Careleaver e.V. – eine bundesweite Interessenvertretung von jungen Menschen, die in einer Einrichtung oder Pflegefamilie aufgewachsen sind – bietet auf seiner Homepage Informationen und Tipps für Careleaver:innen, aber auch Infos für Fachkräfte und Pflegeeltern an.

Der Verein bietet darüber hinaus Workshops und Vernetzungstreffen an – eine tolle Gelegenheit für junge Menschen, um miteinander in den Austausch zu treten und über Erfahrungen aus der Jugendhilfe zu sprechen.

Besonders hilfreich sind die abgebildeten Tipps für Careleaver:innen zu den Themen „Finanzen, Rechte, Meine Akte, Ausbildung und Wohnen“. Diese findet man auf der Homepage des Careleaver e.V. unter folgendem Link. Hier gelangen Sie zur Webseite.

 

Brückensteine Careleaver

Die Initiative Brückensteine Careleaver setzt sich für verbesserte Übergänge junger Menschen mit Jugendhilfeerfahrung in ein eigenständiges Leben ein. Dabei hat die Initiative Brückensteine Careleaver die App Cariboo entwickelt und bietet hierdurch eine digitale Erweiterung des Unterstützungsangebots der Jugendhilfe, um den Leaving Care Prozess zu erleichtern.

Mittels Checklisten können Jugendliche z.B. ihren Auszug eigenständiger planen oder sich in der Cariboo Community Rat und Unterstützung von anderen Careleaver*innen holen.

Zur App gelangen Sie hier.
Weitere Informationen zu Brückensteine Careleaver finden sie hier.

Onlineplattform Care Leaver online

Die Onlineplattform Care Leaver online von der Stiftung Universität Hildesheim in Kooperation mit der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) basiert auf der Broschüre „Durchblick. Infos für deinen Weg aus der Jugendhilfe ins Erwachsenenleben.“, welche in den Jahren 2020 bis 2022 aktualisiert wurde. Die Webseite bietet Informationen rund um Themen wie Wohnen, Geld, Versicherungsschutz, Schule und Ausbildung. Zudem bündelt die Webseite zentrale Beratungs- und Anlaufstellen, die für Careleaver:innen relevant sein können.

Die Erstellung der aktuellen Website www.careleaver-online.de wurde in Zusammenarbeit mit dem Projekt „StudyCare. Infrastrukturen zur Verbesserung der Bildungschancen von Care Leaver*innen an Hochschulen in Niedersachsen“ durchgeführt. Das Projekt StudyCare wird durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie die Universität Hildesheim gefördert.

Hier gelangen Sie zur Webseite.
Mehr Infos zum Projekt finden Sie hier.

Praxisrelevante Hinweise

Careleaving Storys: Geschichten aus dem Leben vor, während und nach der Jugendhilfe

Im Rahmen des AWAKE Fellowships der Initiative Brückensteine Careleaver ist ein Heft entstanden, in dem vier Menschen lebhafte Einblicke in ihr Leben gewähren, das sie teilweise in der stationären Jugendhilfe verbracht haben. Neben Erzählungen gibt es Gedichte, Geschichten, Comics und Zeichnungen, die von zahlreichen Careleaver*innen gesammelt und aufgeschrieben wurden.

Für einen geringen Beitrag ist das Heft hier online bestellbar.

Care Leaver Statistics (CLS)

Care Leaver Statistics (CLS) ist die bisher größte trägerübergreifende Befragung junger Menschen in Pflegefamilien und Einrichtungen der Jugendhilfe in Deutschland. Die Langzeitstudie untersucht über mehrere Jahre hinweg die Teilhabe im Lebensverlauf junger Menschen, die (eine Zeit lang) in einer Pflegefamilie oder einer Wohngruppe / sonstigen betreuten Wohnformen aufgewachsen sind. Inhalte der Studie sind Themen wie ‚Wohnen‘, ‚Schule‘, ‚Ausbildung und Studium‘ ‚Arbeit‘, ‚soziale Beziehungen‘, ‚Freizeit‘, ‚Mitbestimmung‘, ‚Finanzen‘ und ‚Gesundheit‘.

Insgesamt werden bis zu 2.000 junge Menschen im Alter von 16 bis einschließlich 19 Jahren aus Wohngruppen und Pflegefamilien befragt. Die Befragungen wiederholen sich jährlich und laufen über insgesamt sieben Jahre hinweg. 
Die BMFSFJ-geförderte Studie findet im Kooperationsverbund der Stiftung Universität Hildesheim, der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH), dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) und der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS) statt.

Im Zuge dieser Studie ist ein YouTube-Kanal entwickelt worden, auf dem in Form von Kurzvideos Informationen rund um die Studie aufbereitet werden.

Zum YouTube-Kanal gelangen Sie hier.

Hierfinden Sie weitere Informationen zur CLS-Studie.

Darüber hinaus finden Sie hier noch weitere Informationen zu Forschungsprojekten im Kontext von Hilfen für junge Volljährige und Hilfen zur Erziehung.