Wie junge Muslime sich in Deutschland engagieren

Ob spielerisch, kritisch oder beim Fair Trade Fastenbrechen - mit ihrem ehrenamtlichen Engagement wollen junge Muslime in Deutschland etwas verändern und ein positives Islambild zeigen. Mit dem Programm "Yallah!" fördert die Robert Bosch Stiftung dieses Engagement. Dabei begegnen den jungen Leuten nicht nur alte Vorurteile, sondern vor allem viel Neugier.

Lea Wagner | März 2017
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Manuel Frauendorf

Ein schmaler, hochgewachsener Junge mit wachem Gesicht strafft die Schultern, drückt den Rücken durch und räuspert er sich: "Wir müssen mehr über den Islam reden. Weil es Probleme gibt." Die Tiefe seiner Stimme überrascht - Yasser Haji Mohamad ist erst 19. Er kommt aus Aleppo in Syrien und will in Deutschland Medizin studieren. Sein Deutsch ist flüssig, fast fehlerfrei. Obwohl er erst ein Jahr und zwei Monate hier ist.

Yasser vermisst Syrien, dort ging er oft mit Freunden in die Moschee. "Die ist bei uns ein Treffpunkt und die Religion Teil des Alltags." Das fehlt ihm in seiner neuen Heimat, dem schwäbischen Mötzingen. "Der Spirit ist ein anderer."
 

Das Islam-Quiz macht neugierig

Mit seinem 15-jährigen Freund Mehmet Arslan hat Yasser ein "Mobiles Dialog-Zelt" gegründet. Unterstützt werden sie vom Verein Förderung deutschsprachigen Moscheeunterrichts (FödeM) Herrenberg. Im Dialog-Zelt können sich Muslime auf Deutsch über den Islam austauschen. Nicht-Muslime lernen ihn bei einem Quiz besser kennen. Studenten der islamischen Theologie haben die Fragen mitentwickelt, der Gewinner bekommt eine Tafel Schokolade. Yasser freut sich über die Neugier vieler Besucher. "Die wollen wissen, warum wir fasten, oder wie die Rolle der Frau ist." Er würde gerne ein "positiveres Bild vom Islam vermitteln als das in den Medien".

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Manuel Frauendorf

Der syrische Student Yasser Haji Mohamed möchte durch sein Dialog-Zelt ein positiveres Bild vom Islam vermitteln.

Deutsche Muslime sprechen über ihr ehrenamtliches Engagement

Für seinen Vortrag bekommt Yasser reichlich Applaus. Sein Publikum sind circa zwanzig junge Muslime aus ganz Deutschland. Sie alle engagieren sich wie er gesellschaftlich, nicht nur für Muslime. "Etwas für das Gemeinwohl zu tun, liegt in unserer Religion begründet", sagt eine Teilnehmerin. Alle Anwesenden werden von der Robert Bosch Stiftung im Rahmen des Projekts "Yallah! Junge Muslime engagieren sich" gefördert. "Yallah" ist arabisch und bedeutet so viel wie "Los geht’s!". Sie sind in Berlin zusammengekommen, um sich zwei Tage lang auszutauschen und mehr über Fundraising, Pressearbeit und Organisationsentwicklung zu lernen.

Auf eine Tasse Tee mit Muslimen und Nicht-Muslimen

Yasser übergibt den Laserpointer an die 24-jährige Hafssa El-Bouhamouchi. Gerade hat sie ihren Master in Islamwissenschaft und Geschichte abgeschlossen. Ihre Eltern kamen aus Marokko nach Bielefeld. "Warum ist das wichtig?", fragt sie. Sie wolle nicht auf ihren Migrationshintergrund reduziert werden.

"Muslime müssen die Diskurshoheit zurückerobern", sagt sie. Nicht nur zu Fragen des Islam, sondern generell. "Den Raum gibt dir keiner, du musst ihn dir nehmen." Der Generation ihrer Eltern habe dazu der Mut gefehlt. "Die kamen als Gastarbeiter. Aber wir müssen den Mund aufmachen und Vorurteile abbauen." Auch wenn sie selbst noch nicht direkt angegriffen wurde, weiß sie um die Vorurteile in vielen Köpfen. "Ich als Frau, Muslimin und Kopftuchträgerin bin per se eine Zielscheibe, aber subtiler - in meinem Umfeld ist man auf politische Korrektheit bedacht."

Hafssa El-Bouhamouchi bei der Yallah Projektwerkstatt
Manuel Frauendorf

Hafssa El-Bouhamouchi hat gerade ihren Master in Islamwissenschaft abgeschlossen und fordert, dass Muslime die Diskurshoheit zurückerobern müssen.

Hafssa wünscht sich eine differenziertere Auseinandersetzung über den Islam. "Dafür braucht man einen sicheren Raum." Sie und ihr Team von der Muslimischen Jugend in Deutschland e. V. Lokalkreis Hannover haben eine Paneldiskussion organisiert: "Junge Muslime zwischen Radikalisierung und Ausgrenzung". Sie bildete den Abschluss der Veranstaltungsreihe "Tea Time", bei der Muslime Nicht-Muslime auf eine Tasse Tee einladen. Die Veranstaltungsreihe wurde unter anderem vom Bundesfamilienministerium gefördert.
 

Modernes Fastenbrechen: Regional, biologisch und fair gehandelt

Auch die Darmstädterin Asyel Ceylan hat zu kämpfen. Nicht so sehr mit Vorurteilen wie mit Unverständnis. "Vielen Freunden will der Ramadan nicht in den Kopf. Die sagen: ‚Krass, ich würde das nicht durchhalten.‘" Aysel und das Iman Bildungs- und Freizeitzentrum muslimischer Frauen e. V. organisieren einmal im Jahr das "Open (f)air Fastenbrechen", ein Event, das es mittlerweile in vielen Städten gibt. "Wir sind stolz darauf, in Darmstadt den Grundstein gelegt zu haben", sagt Aysel, die Juristin ist und berufsbegleitend Erzieherin lernt. Letztes Mal seien dreitausend Leute aus über dreißig Ländern gekommen. Die Diakonie war mit an Bord, hielt Vorträge. "Nur ein jüdischer Referent fehlt uns noch", sagt sie, aber die Suche gehe weiter.

Juristin Aysel Ceylan bei der Yallah Projektwerkstatt
Manuel Frauendorf

Die Juristin Aysel Ceylan und ihre Organisation bringen Menschen aus mehr als 30 Ländern zusammen, um mit ihnen das Fasten zu beenden und sie mit regional angebauten Bio-Lebensmitteln zu versorgen.

"Nur noch eine Minute!", ruft die Veranstalterin. Aysel ruft: "Brüder und Schwestern, ich schaffe das!". Atemlos erzählt sie vom Essen: "regional, biologisch und Fair-Trade." Dabei hat ihr Verein nur die Suppe gekocht, den Rest haben andere beigesteuert. "Von einem Komplett-Catering rate ich euch ab, die viele Arbeit treibt euch in den Wahnsinn!"

Die Zeit ist um, die Gruppe klatscht. Hektisches Stühlerücken. "Yallah!", Abendessen.

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